Erinnerung an Beate Kratochwil

(1944–2025)

Mit Beate Kratochwil verlieren wir eine langjährige Unterstützerin und engagierte Begleiterin unserer Arbeit. Sie verband Empathie und Offenheit mit einem genauen, kritischen Blick für gesellschaftliche Zusammenhänge – Eigenschaften, die unser Engagement für wohnungslose Menschen in Berlin spürbar bereichert haben.

Ich begegnete Frau Kratochwil das erste Mal 2006 im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Koepjohann’schen Stiftung. Zu dieser Zeit arbeitete ich gemeinsam mit Anett Leach und zwei weiteren Kolleg*innen im „Kontaktladen für junge Menschen mit Lebensmittelpunkt Straße“ in der Torstraße, den die Stiftung damals förderte. Frau Kratochwil ging der Ruf einer kompetenten und kämpferischen Verfechterin einer versorgungsgerechten Gemeindepsychiatrie voraus, und ich hatte einigen Respekt vor dem ersten Treffen mit ihr. Und tatsächlich stellte sie sofort kritische, sogar herausfordernde Fragen zu unserer Arbeitsweise. Gleichzeitig spürte ich bei ihr eine zugewandte, offene und wohlwollende Haltung uns gegenüber.

Von Anfang an war sie mehr als eine Förderin – durch ihre Ermutigung und ihren pragmatischen Blick eröffnete sie neue Handlungsspielräume. Sie unterstützte uns entscheidend, als wir 2012 KLIK e.V. gründeten, und trat ein Jahr später selbst als Fördermitglied bei.

Für mich persönlich war besonders ihr Engagement für die Aufarbeitung von Zwangsarbeit im Nationalsozialismus in der evangelischen Kirche beeindruckend und prägend. In diesem Bereich zeigte sie eindrücklich, wie wichtig es ihr war, unbequeme Fragen zu stellen und nicht lockerzulassen – ihr Mut und ihre Genauigkeit wirkten stets vorbildhaft.

Anett Leach erinnert sich:


„Für mich war Frau Kratochwil die Stimme der Koepjohann’schen Stiftung. Ihre Leidenschaft für jedes einzelne Projekt der Stiftung hat mich immer inspiriert. Sie strahlte Beständigkeit und Stärke aus – und wenn wir sie mit unseren Ideen überzeugen konnten, wusste ich: Jetzt kann nichts mehr schiefgehen.“

Anett und ich verbinden viele Erinnerungen mit Frau Kratochwil. Uns beiden ist besonders präsent geblieben, wie sie uns bei offiziellen Anlässen immer als „die Frauen von KLIK“ vorgestellt hat. Ebenso erinnern wir uns gemeinsam an die jährlichen Dampferfahrten der Stiftung, die von ihr mitinitiiert wurden und nicht nur ältere Koepjohannit*innen, sondern ausdrücklich auch „unsere“ wohnungslosen Jugendlichen aufs Schiff brachten – eine Mischung, die zunächst überraschend erschien. Durch ihr Zutrauen entstand auf dem Deck der Dampfer ein ungezwungenes Miteinander: Punkige Straßenjugendliche und lebensältere Stiftungsmitglieder sangen gemeinsam Volkslieder, tauschten Geschichten aus, lachten und ließen den Tag miteinander ausklingen. Aus diesen Begegnungen entwickelten sich echte persönliche Beziehungen, die beide Seiten geprägt haben – und die ohne ihr Zutun so wohl kaum möglich gewesen wären. Für sie gehörte dazu auch das Praktische und Bodenständige: Die Kartoffelsuppe mit Bockwurst, die jedes Mal an Bord bereitstand, wurde mit genau jenem Augenzwinkern gefeiert, mit dem sie immer wieder das Gemeinsame betonte.

Auch in schwierigen Zeiten – etwa als wir unsere Beratungsräume verloren und lange keine neuen Räume für die Wohnungslosenhilfe anmieten konnten – war sie eine verlässliche Ansprechpartnerin. Sie begleitete uns zu Gesprächen, gab konstruktive Hinweise für Verhandlungen und brachte, nicht ohne einen kleinen Seitenhieb, praktische Ideen (auch für zukünftige Forderungen) ein – darunter die Möglichkeit, leerstehende Kirchengebäude oder Friedhöfe für Soziale Arbeit zu nutzen.

Der respektvolle, professionelle Umgang war für unsere Zusammenarbeit bestimmend; das Siezen empfanden wir beide als selbstverständlich und wertschätzend. Noch im Juli dieses Jahres, als sie anlässlich einer Satzungsänderung an unserer Mitgliederversammlung teilnahm und mit großem Interesse sowie Anerkennung unsere konzeptionellen und räumlichen Veränderungen kommentierte, blieb diese Haltung unverändert. Vielleicht zeigte sich gerade darin die gegenseitige Wertschätzung ebenso wie Frau Kratochwils Klarheit und Verbindlichkeit.

Doch auch außerhalb des Vereins begegneten wir uns immer wieder – zum Beispiel im ACUD Kino, wo wir schnell feststellten, dass wir eine besondere Vorliebe für anspruchsvolle Filme teilten. Bei diesen Gelegenheiten erzählte sie auch von der Puppenspielertradition in ihrer Familie, die für sie eine bleibende Verbindung zu kulturellen und künstlerischen Ausdrucksformen darstellte.

Beate Kratochwil bleibt Teil unserer Geschichte und unserer Arbeit – in Projekten, die sie unterstützte, und in Menschen, die sie mit ihrer Haltung und Offenheit bestärkt hat.

Im Namen aller Mitglieder von KLIK – Rechte und Ressourcen für wohnungslose Menschen e.V.

Alexandra Post und das KLIK-Team

Foto: Reinhard Böse-Popa

helfen sie uns!

Mit Ihrer Spende können wir nachhaltige und zuverlässige Unterstützungsangebote für junge wohnungslose Menschen gewährleisten, neue Projekte entwickeln und unsere Wirkung langfristig erhöhen.