Mit dem Projekt „KLIK-Notgroschen“ haben wir auf die nach Bekanntgabe der von der Bundesregierung beschlossenen Leitlinien zum Kampf gegen die Corona-Epidemie erfolgenden Schließungen und Einschränkung von Hilfeeinrichtungen für wohnungslose Menschen reagiert, um einer weiteren Verschlechterung der Unterstützungsstrukturen für Menschen, die keinen Zugang zur Existenzsicherung und Krankenversorgung in Deutschland haben, entgegen zu wirken.
Wir haben einen Spendenaufruf in unserer unmittelbaren Nachbarschaft in Berlin Mitte gestartet und sind an uns bekannte Förderstiftungen herangetreten.
Dank der großartigen Spendenbereitschaft unserer Nachbar*innen und vieler anderer Spender*innen sowie mit Hilfe der kurzfristigen finanziellen Unterstützung durch die VINCI-Stiftung, die GLS-Treuhand, die Koepjohann’sche Stiftung und den Verein der Bundesfraktion DIE LINKE e.V., können wir seit dem 17. März eine Notversorgung für obdachlose Menschen anbieten.
Diese Notversorgung werden wir in jeweils an die sich verändernden Bedingungen angepasster Ausgestaltung solange fortsetzen, bis die Angebote der Berliner Wohnungslosenhilfe wieder vollumfänglich zur Verfügung stehen.
Ab dem 9. April hat jede die Kontakt- und Beratungsstelle aufsuchende Person neben Essenspaketen, Alltagsmasken und frischer Kleidung ein Mal in der Woche einen „Notgroschen“ in Höhe von 10 EUR erhalten.
Innerhalb von 7 Wochen wurde der Barbetrag 1404 Mal ausgezahlt.
Natürlich hatte es sich bald herumgesprochen, dass wir in der Torstraße nicht nur selbst gekochtes Essen, Duschen, Waschmaschinen und mehrsprachige Sozialarbeiter*innen haben, sondern jetzt auch Geld verteilen. Die Nutzer*innenzahl stieg stetig und es wurde zunehmend unübersichtlicher vor der Tür der Beratungsstelle.
Weil außerdem die in der Arbeitsorganisation zu beachtenden Hygienemaßnahmen für die Mitarbeiter*innen eine vollständig andere Arbeitsweise mit sich bringen (u.a. ein striktes Hygienemanagement, kurze und hinsichtlich der Interaktion auf das Nötigste begrenzte Kontakte zu den Nutzer*innen), fühlte sich das Beratungsstellenteam zum Teil mehr und mehr belastet.
Aufgrund der Hygiene- und Abstandsregeln müssen wir ein striktes Zugangsmanagement praktizieren, wodurch es in den letzten Wochen verstärkt zu Menschenansammlungen rund um die Kontakt- und Beratungsstelle gekommen ist. Erste Unmut-Bekundungen von Mieter*innen des Wohnhauses, in dem sich unsere Beratungsstelle befindet, wurden laut, die Hausverwaltung rief an, und auch um ihr Ansehen und ihr Geschäft fürchtende Gewerbetreibende meldeten sich bei uns. Zuletzt gab es dann noch Beschwerden der Schulleitung der benachbarten Berlin Metropolitan School, Eltern hätten Ängste bezüglich der Sicherheit ihrer Kinder geäußert.
Wir haben die Beschwerden und die Ängste unserer Umgebung ernst genommen und versucht, einen alle Interessen beachtenden Umgang mit der Situation zu finden. Da es jedoch zunehmend schwieriger wurde, einerseits den Informations- und Beratungsanliegen der Nutzer*innen der Notversorgung gerecht zu werden und gleichzeitig auf die Interessen und Bedürfnisse der Nachbarschaft einzugehen, haben wir uns entschlossen, die Auszahlung des Barbetrags eine Woche früher als geplant einzustellen.
Ab sofort halten wir an zwei Tagen in der Woche – Montag und Donnerstag von 10 bis 15 Uhr – Notversorgung vor, an zwei anderen Tagen – Dienstag und Freitag von 10 bis 15 Uhr – psychosoziale Beratung.
In den vergangenen, auch für die Mitarbeiter*innen der Kontakt- und Beratungsstelle anstrengenden Wochen, gab es auch sehr schöne und motivierende Erlebnisse: Der Verein Berliner Obdachlosenhilfe e.V. spendete uns für das Notgroschenprojekt kurzerhand 10.000 EUR. Und eine Schülerin der Berlin Metropolitan School schrieb uns eine Email, aus der wir zum Schluss zitieren möchten:
„Als ich von meiner Mutter gehört habe, dass sich Eltern beschwert haben, dass Obdachlose bei unserer Schule warten, um von Ihnen Unterstützung zu bekommen, war mir das sehr peinlich. Es ist mir peinlich, dass Leute wie wir, die so privilegiert sind, es nicht ertragen können, mit denen konfrontiert zu sein, die es nicht sind. Ich finde es falsch, dass wir mit unserem Einfluss vertreiben wollen, anstatt zu helfen und ich würde nicht wollen, dass Sie und die Obdachlosen, denen Sie helfen, sich uns anpassen müssen, weil Kinder an unserer Schule nicht sehen sollen, wie schlecht es anderen geht.
Ich will die Sorgen mancher Eltern nicht außer Acht lassen, sie wollen ihre Kinder nur beschützen, aber ich habe persönlich noch nie mitbekommen, dass irgendwer sich uns gegenüber unangemessen verhalten hat. Ich finde es ist wichtig seinen Kindern beizubringen, dass Leute, denen es oft schlecht geht und die vielleicht nicht so gepflegt aussehen wie andere, deswegen nicht gleich gefährlich sind. (…)
Ich möchte einen Artikel über Ihre Organisation schreiben und was sie alles machen um Hilfsbedürftigen zu helfen und möchte dazu aufrufen, euch aktiv zu unterstützen anstatt gegen euch zu arbeiten. Ich glaube daran, dass dieses Problem durch Hilfsbereitschaft und Aufklärung besser gelöst werden kann als durch Streit und mir ist es auch wichtig zu beweisen, dass wir unser Privileg nutzen um Gutes zu tun. Deswegen wollte ich fragen, ob wir euch irgendwie helfen können, zum Beispiel durch Geld- oder Sachspenden oder sogar durch Hilfe vor Ort, wenn das überhaupt möglich wär. Ich und viele andere sind bereit euch mit allen möglichen Mitteln zu unterstützen und ich würde mich sehr freuen, wenn wir damit einen Unterschied machen könnten.
Vielen Dank für Ihre Hilfe in der aktuellen Krise und auch für all die Sachen, die sie normalerweise machen, ich finde es bewundernswert, dass sie dazu bereit sind, so viel Zeit darin zu investieren, anderen zu helfen.“
Vielen Dank an alle unsere Kolleginnen und Kollegen, die seit dem Anfang der Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Berlin mit vollem Einsatz arbeiten, sowie an unsere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die eine große Unterstützung bei den Lebensmitteleinkäufen und der Vorbereitung der Essenspakete leisten. Und nicht zuletzt an alle großartigen Spender*innen und Unterstützer*innen, die unsere Arbeit durch Geld- oder Sachspenden bisher unterstützt haben und somit die Aufrechterhaltung der Notversorgung ermöglicht haben.